DOKU.ARTS
Zeughauskino Berlin
06.–23.10.2016

The Great Wall

„Ein Käfig ging einen Vogel suchen“ – mit diesem Aphorismus von Franz Kafka beginnt Tadhg O'Sullivan's Film The Great Wall, der in ruhigem Rhythmus und mit eindringlichen Bildern Europas Abschirmung nach außen erkundet.

Beginnend an der südöstlichen Grenze Bulgariens unternimmt The Great Wall eine Reise durch Europa und zeigt die vielen Mauern, die heute seine politische Landschaft bestimmen. Es sind Mauern unterschiedlichster Art, Mauern sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. Sie reichen vom Stacheldrahtzaun, der den aus dem Südosten kommenden Flüchtlingen den Zugang verwehren soll, bis hin zu den gläsernen Riesen politischer und wirtschaftlicher Machtzentren wie Brüssel und London, die ihre Botschaft des Ausschlusses weniger sichtbar, aber ebenso nachhaltig verkünden. Die formal außergewöhnlich schönen Bilder des Films bindet O'Sullivan an Kafkas Text Beim Bau der Chinesischen Mauer. Begleitet werden Bilder und Worte von einer präzise ausgearbeiteten Tonlandschaft. So wie schon Kafkas Text bezieht dieser Essayfilm seine Überzeugungskraft daher, dass er sich einer Stellungnahme enthält. Vielmehr zeigt er die Mauern gleichsam als notwendige Begleiterscheinung einer Machterhaltungsordnung. Die Autoritätsquelle dieser Ordnung bleibt jedoch im Dunkeln. Der Filmemacher übersetzt die beinahe organische Qualität, die die „große Mauer“ auch bei Kafka hat, in luzide Bilder, sodass sie als Teil einer gesetzmäßigen Natur erscheint, die nur hin und wieder erahnen lässt, dass hier Menschen von anderen Menschen abgeschottet werden sollen. Die Notwendigkeit dieser Abschottung wird behauptet und soll geglaubt werden, ohne dass ihr Sinn jemals geklärt würde: Eine Mauer ging einen Feind suchen...

(ab)

Tadhg O'Sullivan

Tadhg O'Sullivan lebt als Filmemacher, Cutter, Sounddesigner und Tontechniker in Carlow, Irland. Seine Arbeiten werden regelmäßig vom Irish Film Board und dem Arts Council of Ireland gefördert. 2015 erhielt er vom Arts Council ein Filmstipendium.